MATERNUS-Klinik Bad Oeynhausen

Ernährungstherapie in der Rehabilitation | Interdisziplinäres Reha-Konzept für Post-COVID-RehabilitandInnen

Der nachfolgende Auszug aus dem Bericht der Ernährungsumschau 10/2021 von Ulrike Grohmann, Dipl.oec.troph., Redaktionsbüro VDD, gibt Einblick in die Ernährungstherapie der MATERNUS-Klinik für Post-COVID-Patienten:

Bis zu 15 Prozent der PatientInnen haben auch bei milden Verläufen noch Monate nach der Sars-CoV2-Infektion Krankheitsfolgen – leiden unter einem Post-Covid/Long-Covid-Syndrom. In der Rehabilitation ist Ernährungstherapie eine Behandlungsoption. Vorgestellt wird beispielhaft ein interdisziplinäres Konzept.

Erst kürzlich ist die S1-Leitlinie Post-Covid/Long-Covid erschienen. Ein großer Fortschritt, bei dem es auch darum geht, ein Phänomen anzuerkennen, das noch weitgehend diffus bleibt. An der Leitlinie, die von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) koordiniert wurde, waren 17 medizinische Fachgesellschaften und Institutionen beteiligt. Es handelt sich also um ein interdisziplinäres Werk, was bei der Vielzahl an Symptomen, die nach einer Covid-Erkrankung auftreten können, elementar ist. Anders als anfangs gedacht, greift das Virus nicht nur die Lunge, sondern auch den ganzen Körper an, die Gefäße, die Zellen. Die AutorInnen betrachten Covid-19 inzwischen als Multiorgankrankheit. Sie sprechen von Long-Covid, wenn neue Symptome hinzukommen oder jenseits von vier Wochen ab Infektion bestehen. Wenn mehr als zwölf Wochen die Folgen und Symptome fortdauern, wird von Post-Covid-Syndrom gesprochen. Damit schließen sich die AutorInnen weitgehend dem Vorschlag einer Definition des britischen National Institutes for Health and Care Excellence (NICE) an.

Trotz milder Verläufe haben viele PatientInnen anhaltende Krankheitsfolgen – noch Monate nach der Sars-CoV2-Infektion. Dabei variiert die Häufigkeit des Post-Covid-Syndroms je nach untersuchter Patientenpopulation. „Über alle PatientInnen hinweg ist von einer Häufigkeit von bis zu 15 Prozent auszugehen“, heißt es in der Leitlinie. Um Post-/Long-Covid zu diagnostizieren, könne man folgende vier Kriterien heranziehen:

  • Symptome, die aus der akuten Covid-Phase oder deren Behandlung fortbestehen.
  • Symptome, die zu einer neuen gesundheitlichen Einschränkung geführt haben.
  • Neue Symptome, die nach dem Ende der akuten Phase aufgetreten sind, aber als Folge der Covid-19-Erkrankung verstanden werden.
  • Verschlechterung einer bestehenden Grunderkrankung.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass weltweit etwa jeder zehnte Covid-Erkrankte noch nach zwölf Wochen unter Symptomen leide. In Deutschland gibt es bisher kein zentrales Melderegister. Daher gibt es auch wenig verlässliche Einschätzungen über Zahlen, limitiert ist auch das Wissen über Krankheitsverlauf, Dauer der verschiedenen Symptome und der Häufigkeit bleibender Schäden.

Laut einer Umfrage des Magazins Spiegel (31/2021) unter den Universitätskliniken in Deutschland haben 25 von 37 Einrichtungen eine Long-Covid-Ambulanz eingerichtet, die Nachfrage sei immens und vielerorts gebe es Wartelisten wegen der hohen Nachfrage.

Obwohl nach einer Covid-Erkrankung mehrere Organe von den Krankheitsfolgen betroffen sein können und die Heilbehandlung und Rehabilitation möglichst multidisziplinär durchgeführt werden müsste, gibt es nicht überall die Möglichkeit dazu.

Interdisziplinäres Reha-Konzept vorgestellt

Wie dies in der MATERNUS-Klinik für Rehabilitation in Bad Oeynhausen angegangen wird, stellte Heidi Lilienkamp, Sprecherin der Fachgruppe Rehabilitation im VDD, beim 5. Online-Qualitätszirkel des ZePG e. V. am 22. Juli 2021 vor. Das Zentrum Patientenschulung und Gesundheitsförderung (ZePG), dessen Kooperationspartner der VDD ist, hat sich die Optimierung von Gruppenprogrammen in Rehabilitation und Prävention zum Ziel gesetzt. Die in der MATERNUS-Klinik tätige Diätassistentin präsentierte ein neues interdisziplinäres Reha-Konzept für Post-COVID-RehabilitandInnen mit milderen Verläufen. Bei der Ernährungstherapie werden hier insbesondere Freude und Genuss am Essen unter den COVID-Symptomen „Geruchs- und Geschmacksverlust“ in den Fokus genommen.

Voraussetzungen für die ernährungstherapeutische Rehabilitation

Für das neue Reha-Konzept kommen PatientInnen mit leichtem bis mittelschweren Verlauf ohne vorherige Beatmung in Frage. Die Symptome sind Mangelernährung, Fatigue, Geruchs- und Geschmacksverlust, neurologische (z. B. Critical Illness Polyneuropathie) und/oder kardiologische (z. B.Myocarditis, Beeinträchtigungen. Neben Organmanifestationen findet sich häufig ein Fatigue- Syndrom, das neben einem allgemeinen Krankheitsgefühl mit Mattigkeit, Antriebslosigkeit, schnelle Erschöpfung und mangelnde Belastbarkeit auch neurokognitive Störungen wie vermehrte Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen umfasst. Auch Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns über unterschiedlich lange Zeiträume sind zu behandeln.

Das Behandlungskonzept sieht aufgrund der unterschiedlichen Symptome eine individuelle Ernährungstherapie vor. Neben der Ernährungstherapie sind Physio-, Sport-, Psycho-, Ergotherapie sowie Logopädie und Sozialmedizin eingebunden. Vorgesehen sind interdisziplinäre Fallbesprechungen und Monitoring.

Geruchstraining: Der Verlust des Geruchsinns bei einer SARS-CoV2-Infektion ist zwar nicht selten, er restituiert sich jedoch in den meisten Fällen wieder und das lässt sich zudem durch Übungen mit wenigen Duftnoten beschleunigen. Es ist wichtig, für das Riechtraining stark riechende Substanzen zu verwenden. Empfehlenswert sind sowohl kommerzielle Trainingskits als auch Riechöle aus der Apotheke oder Drogerie. Für die Durchführung des Riechtrainings hat man in der MATERNUS-Klinik ein standardisiertes Verfahren implementiert.

Geschmackstraining: Durch die Affektion sowohl vom Muskel- als auch Nervensystem kommt es im Rahmen der Covid-Erkrankung mit neurologischer Beteiligung oft zu Schluckstörungen, welche die Gefahr von Erstickung und Aspiration mit möglicher Folge einer Lungenentzündung und Todesfolge mit sich bringt. Diese Schluckstörungen müssen logopädisch behandelt werden. Die Störung der Chemosensorik (Geruchs– und Geschmacksstörungen) hat tiefgreifende Folgen für die Nahrungsaufnahme der Patienten. Auch hier ernährungstherapeutische Interventionen in Absprache mit der Logopädie gefordert. Unterschiedlich verträgliche Konsistenzen der angebotenen Lebensmittel und Speisen sollten hier sorgsam aufeinander abgestimmt sein und für jeden Krankheitsverlauf individuell gewählt werden.

Durch den teilweise kompletten Verlust des Geruchs- als auch Geschmackssinns ist ein rapider Gewichtsverlust oft assoziiert mit Mangelerscheinungen sowie auch mit Essensverweigerung. Um den Genuss an Essen und Trinken wiederzugewinnen, sind das komplette Spektrum der Ernährungstherapie gefordert, damit die PatientInnen trotz Verlust der wichtigsten Sinne für die Erhaltung der Lebensqualität wieder Freude an Essen und Trinken erleben.

Für Diätassistentin Heidi Lilienkamp gehören Fragen nach der Erinnerung an Genusserlebnisse zur Ernährungstherapie. Über die Assoziationen mit Hilfe von Bildern (z.B. Urlaubsfotos von schönen Erinnerungen an Speisen und Getränken) und gezielter Beschreibung von Geruch und Geschmack einzelner Lebensmittel und Speisen, kann die Bedeutung von Essen und Trinken verbessert werden. Hierzu sollte auch die Abteilung Klinische Psychologie immer wieder unterstützend tätig werden. Die am Konzept beteiligten Professionen sind sich einig, dass die Säulen der Therapie der von Post-Covid betroffenen PatientInnen in Geduld, Einsicht, intensivem Training und Betreuung liegen.

Kontakt in der MATERNUS-Klinik:
Heidi Lilienkamp
Diätassistentin
E-Mail: heidi.lilienkamp@maternus.de



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