[ © Tadeus Kielpinski ]

Viele alte Menschen suchen bewusst die Einsamkeit und sind glücklich dabei.

Einer unserer Freunde jammerte, dass Opa gar nicht so großen Wert auf Besuch legt.      “Gewiss, er freut sich, aber er scheint sich schon mehr zu freuen, wenn wir wieder gehen.“     “Ist er Euch gegenüber denn gleichgültig oder feindlich?“ wollte ich wissen. Nein, durchaus nicht. Er ruft an, hat Interesse an den Kindern und Enkeln, aber er scheint das Familienleben überhaupt nicht zu vermissen. Selbst Familienfeiern sind ihm ein Gräuel. Er ist ein richtiger Einsiedler. Was sollen wir bloß tun?“ „Ihn so lassen“, antwortete ich. Mein Freund hatte ein schlechtes Gewissen. Um ihn herum war es Usus, dass die Großeltern besucht oder eingeladen wurden; niemand wollte undankbar erscheinen und anderen auch nur den kleinsten Anlass zum Verdacht geben, man wollte die alten Leute abschieben. Das ist edel, wenn man wirklich die alten Leute im Sinn hat. Viele alte Menschen ziehen jedoch die Einsamkeit vor und genießen sie auch. Anfangs haben sie die Einsamkeit vielleicht nur akzeptiert, sind- zum Beispiel nach dem Verlust des Partners ihrem alten Beruf oder Hobby nachgegangen. Dabei haben sie sich jedoch nicht von der Einsamkeit ablenken lassen und irgendwann empfinden sie ihr Leben nicht als einsam, sondern als kreative Abgeschiedenheit und sie nutzen die Zeit, um über sich nachzudenken. Wissenschaftler unterscheiden drei Phasen des guten Umgangs mit der Einsamkeit. In der ersten Phase – geschieht das, was ich geschildert habe: nachdenken über sich und den Sinn des Lebens. In der zweiten Phase – inzwischen hat man die Einsamkeit akzeptiert – sucht man mit Hilfen von Therapeuten und Ärzten entweder nach den Gründen für die Einsamkeit, (man fragt sich, warum man einsam sein will?) oder man sucht nach neuen Lebenszielen und überlegt, was im Alter daran hindert, ein erfülltes Leben zu führen. Erst in der dritten Phase kommt eine Öffnung nach außen: Man sucht wieder Kontakt zu anderen, mit den Kindern und den Nachbarn; man will über sich und seine Gefühle sprechen oder man zieht um.

Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Ihr alter Vater oder Ihre alte Mutter lieber allein sein möchte. Das bedeutet kein Nein gegen Sie, sondern ein Ja für den eigenen neuen Lebensweg.

Vor allem in der dritten Phase sind die Brücken wieder da!